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Sandra Hanhart

Wenn Recht an Ländergrenzen scheitert

27. März 2025

Unterlassungsansprüche im Internet stossen an nationale Grenzen – auch innerhalb der EU. So entschied in Hamburg das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) im November 2024 (Az. 7 W 119/24), dass die rechtswidrige Nennung eines Namens in einem Social-Media-Profil nur deutschlandweit verboten werden kann.

Der Sachverhalt

Im zugrundeliegenden Fall sah der Antragsteller sein Namensrecht verletzt, weil sein Name in einem Profil und in Posts auf der Plattform „X“ veröffentlicht wurde und forderte „X“, die Antragsgegnerin auf, die Veröffentlichung seines Namens im gesamten EU-Gebiet zu unterlassen. Das Landgericht Hamburg gab dem Antrag statt, denn die angegriffene Nutzung des Namens des Antragsstellers verletze das Namensrecht des Antragstellers als Ausprägung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die Unterlassungsverpflichtung sei aber beschränkt auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.

EU-weites Verbot?

Auch das OLG Hamburg lehnte ein EU-weites Verbot in der Folgeinstanz ab. Es fehle an einer rechtlichen Grundlage für eine unionsweite Untersagung. Das deutsche Namensrecht sowie der einschlägige Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1, 2 BGB seien rein nationale Vorschriften. Ohne eine EU-weite Harmonisierung bleibe die Durchsetzbarkeit von Unterlassungsansprüchen daher grundsätzlich auf die Bundesrepublik Deutschland beschränkt.

Fehlende Vollharmonisierung

Eine Vollharmonisierung, wie sie etwa im Rahmen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) besteht, fehlt hier. Das gilt auch dann, wenn der Antragssteller seinen Anspruch auf die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) stützt. Zwar gilt die EMRK in der gesamten EU, ein unmittelbarer Unterlassungsanspruch ergibt sich aus ihr jedoch nicht. Vielmehr fließt sie über § 823 Abs. 2 BGB in das deutsche Recht ein, der keine grenzüberschreitende Wirkung entfaltet.

Mosaiktheorie

Nach der sogenannten Mosaiktheorie des Europäischen Gerichtshofs können Betroffene zwar grundsätzlich in jedem Land klagen, in dem die Inhalte abrufbar sind und sie sich in ihren Rechten verletzt sehen. Im Rahmen von Schadensersatzansprüchen ist ein Gericht immer dann international zuständig, wenn der Schaden auch im Territorium des Gerichts eingetreten ist – allerdings auch beschränkt auf den Schaden innerhalb des Territoriums. Ein Gericht ist demnach nur zuständig, wenn und soweit die Auswirkungen für den Betroffenen in dem Land spürbar sind.

Geltung auch für den Unterlassungsanspruch?

Ob die Mosaiktheorie auch auf Unterlassungsansprüche anzuwenden ist, ist bislang nicht abschliessend entschieden. Der Beschluss des OLG Hamburg legt jedoch nahe, dass das Gericht diese Theorie entsprechend anwendet. Andernfalls wären Betroffene ausserhalb der nationalen Grenzen weitestgehend schutzlos und rechtsverletzende Inhalte wären in anderen Ländern sanktionslos abrufbar.

Namensschutz ja – europäische Reichweite nein

Die Entscheidung verdeutlicht: Nationale Unterlassungsansprüche bieten Schutz – stoßen jedoch an Landesgrenzen. Daran ändert auch nichts der Umstand, dass die Reichweite der Verbreitung rechtswidriger Inhalte in sozialen Medien regelmäßig weltumspannend ist.

Ein EU-weiter Schutz ist nur möglich, wenn das Recht europaweit einheitlich geregelt ist. Wer darüberhinausgehenden Schutz möchte, muss in den jeweiligen Ländern gegen die rechtswidrigen Inhalte vorgehen.

Situation in der Schweiz

Auch in der Schweiz wenden die Gerichte für  Rechtsverletzungen im Internet gestützt auf Art. 5 Ziff. 3 Lugano-Übereinkommen die Mosaiktheorie an, die vom Europäischen Gerichtshof entwickelt wurde. Im Zusammenhang mit Persönlichkeitverletzungen prüfen Gerichte eine extraterritoriale Ausdehnung eines gerichtlichen Verbots mitunter jedoch nicht gestützt auf die Mosaiktheorie, sondern auf das Verhältnismässigkeitsprinzip. Dies ist zum Beispiel dem Entscheid des Handelsgerichts vom 21. August 2024 betreffend Auslistung von Ergebnissen aus Google zu entnehmen (vgl. HG220030).

Wenn Auswirkungen einer Rechtsverletzung für Betroffene in der Schweiz spürbar sind, können die zuständigen Gerichte grundsätzlich ein Verbot von Persönlichkeitsverletzungen auch im Ausland erlassen, vorausgesetzt, die Interessen des Klägers an einer grenzüberschreitenden Beseitigung rechtfertigen dies. 

Autoren: Dr. Oliver Stegmann, Sandra Hanhart

Mitarbeit: Annika Vollrath